Das Besondere an Brasilien sind seine Gegensätze: Wenn man in Manaus den Jet besteigt, kann man in wenigen Stunden, wie in einer Zeitmaschine, aus der Steinzeit ins 20. Jahrhundert zurückgleiten - in Brasília, der Stadt vom Reissbrett mit ihrer futuristischen Architektur, erscheint sogar die Gegenwart überholt.
Von Künstlern erdacht und von Bürokraten bewohnbar gemacht, ist Brasília nicht wie üblich nach Vorstellungen und Bedürfnissen des Menschen konstruiert sondern eine totale Anpassung an eine vorgegebene Umgebung und an eine Idee: Juscelino Kubitschek de Oliveira als Präsident, Lucio Costa als Planer, Oscar Niemeyer als Architekt und Burle Marx als Landschaftsgestalter, verwirklichten mit Brasília einen Traum, der bereits 1891 in den Analen der "Republikanischen Verfassung" als Forderung auftaucht.
Nach nur 4 Jahren Bauzeit übergibt der Präsident, am 21. April 1960, dem Volk die neue Hauptstadt: Rund 1.200 Kilometer von der Küste entfernt, wurde ihr Grundriss in Form eines Flugzeugs, direkt vom Reissbrett auf die rote Erde einer sorgfältig ausgewählten Hochebene im Bundesstaat "Goiás" übertragen:
Die Flügel, die vom Rumpf in Nord- und Südrichtung, in gleichem Winkel, abzweigen, bilden die Wohnbezirke der Stadt. Das Cockpit wird durch den "Platz der drei Gewalten" markiert, mit dem National-Kongress, dem Regierungs-Palast und dem Justiz-Palast, und längs des Rumpfes sind, entlang des "Eixo Monumental", die verschiedenen Ministerien angeordnet. Der gesamte Regierungs-Distrikt umfasst heute 5.790 km2, etwa vergleichbar mit der Ausdehnung einer der vielen Fazendas im Mato Grosso.
Am 7. September 1987 wurde Brasília von der UNESCO in den Stand eines "Weltkulturdenkmals der Menschheit" erhoben, in Anerkennung seines avantgardistischen städtebaulichen Konzepts.
Ein Besuch in Brasília ist zweifellos beeindruckend. Hier atmet man die gesündeste Luft des ganzen Landes. Die imposante Architektur kann sogar viele begeistern - aber wohnen möchten hier die wenigsten. Denn Brasília hat keine - oder vielleicht: noch keine - Atmosphäre, wie man sie sonst von Weltstädten gewöhnt ist.
Klar gegliedert, alle Details sorgfältig geplant, weitläufig und für den Menschen zu gross, ist diese Stadt eigentlich ganz und gar unbrasilianisch. So fliehen denn auch die, die es sich leisten können, unter den über 200.000 Bürgern, übers Wochenende in die immer noch heimliche Hauptstadt Rio de Janeiro.