Die Menschen leben in Island allein mit dem Vorbehalt der Geologie. Das Land am Polarkreis war in der Eiszeit vollkommen vergletschert. Heute bedecken die Gletscher noch mehr als zehn Prozent der Oberfläche. In Island kann man den Urgewalten bei der Arbeit zuschauen. Flüsse und Seen prägen das Bild der Landschaft, Gestein zerbröselt, Vulkane brechen aus, Wasserfälle springen aus den Bergen. Im Nationalpark Thingvellir, trifft Islands Geschichte auf die Geologie. Hier treffen die eurasische und die nordamerikanische Erdplatten aufeinander.
Die „Grenze“ zwischen beiden Kontinenten ist eine fünf bis sechs Kilometer breite Zone, durchzogen von mehr oder weniger parallelen Klüften. Und hier wurde auch der Grundstein für die Republik Island gelegt. Die ersten Siedler kamen aus Norwegen und ließen sich um 870 nieder. Die Bevölkerungszahl wuchs rasch. Bald wurde der Ruf nach einem gemeinsamen Thing, einer Volksversammlung, laut. 930 trat im heutigen Thingvellir das erste gemeinsame Parlament, das Althing zusammen und markiert damit die Gründung des isländischen Staates. „Es wird eng auf dem Thing“, so ein isländisches Sprichwort. Bis zu 4.000 Menschen versammelten sich zu einem Althing. Hier wurden Streitereien geschlichtet und Gesetze beschlossen. Sitz und Stimme hatten die 48 Goden, Häuptlinge, Islands.
Der Althing verlor zunehmend seine Bedeutung nachdem Island im 13. Jahrhundert seine Unabhängigkeit zuerst an Norwegen, später an Dänemark verlor. 1798 wurde das Parlament aufgelöst. Mit der Unabhängigkeitsbewegung im Europa des 19. Jahrhunderts wurde auch Thingvellir wieder zu einem Symbol. 1843 verkündete der dänische König Christian VIII. per Erlass die Wiedereinführung eines isländischen Parlaments. Dieses tritt in Reykjavik zusammen und hatte ausschließlich beratende Funktion. 1848 versammelten sich 19 Abgeordnete in Thingvellir und forderten ein eigenes Parlament mit allen Rechten. Seine volle Unabhängigkeit erreichte Island erst 1944 in den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Die Feier fand in Thingvellir statt.